Fataler Fotofrust

Was Social Media-Bilder mit unserer Selbst­wahrnehmung machen

Foto der Expertin
Dr. Julia Brailovskaia

Schlanker, stylisher, fitter. Wie wirken die perfekten Fotos auf Instagram und Co. auf uns? Dr. Julia Brailovskaia, Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum, erklärt, wie die unrealistischen Bilder unsere Selbstwahrnehmung beeinflussen und warum besonders Kinder und Jugendliche der Scheinwelt erliegen. Foto der Expertin
Dr. Julia Brailovskaia
Frau Dr. Brailovskaia, durch was definiert sich unsere Selbstwahrnehmung?
„Unsere Selbstwahrnehmung wird durch drei verschiedene Quellen geprägt. Die Erste ist die Bewertung der eigenen Handlungen. Wie zufrieden sind wir mit dem, was wir tun? Die zweite Quelle ist das Feedback, was wir von anderen Menschen erhalten. Wie bewerten sie uns? Die dritte Quelle wiederum ist unser eigener Vergleich mit anderen Menschen: Schneide ich besser oder schlechter als sie ab?“

Also der Vergleich, der zum Beispiel beim Konsum von Bildern auf Social Media passiert?
„Genau. Umgeben wir uns dort mit Bildern von scheinbar perfekten Menschen, nehmen wir uns dadurch selbst negativ wahr. Das tut uns auf Dauer nicht gut.“

Haben Instagram, Facebook und Co. in der Hinsicht alle denselben Einfluss auf uns?
„Nein, ich schätze den Einfluss von Instagram stärker ein, da es eine Plattform ist, die vorwiegend bildlich arbeitet. Der Text, der einem zur Verfügung steht, ist begrenzt. Somit entfällt die Möglichkeit, das Gezeigte zu erklären oder zu reflektieren. Außerdem werden Bilder schneller von unserem Gehirn verarbeitet als Text.“

In wie weit wirken denn die perfekten Bilder auf die eigene Selbstwahrnehmung?
„An erster Stelle erzeugen sie Frust, denn wir können das Idealbild nicht erreichen. Im Vergleich werten wir uns oft ab – das kann unter anderem das Auftreten depressiver Symptome begünstigen. Dabei sind besonders Kinder und Jugendliche betroffen, da sie die Bilder häufig als realistische Abbildung der Wirklichkeit wahrnehmen. Aber richtige Influencer posten keine Schnappschüsse. Es sind keine Bilder von Personen, denen man so auf der Straße begegnen würde. Sie sind häufig inszeniert und stark bearbeitet, wodurch sie häufig ein falsches Bild der Realität erzeugen.“

Gibt es einen Grund, warum Kinder und Jugendliche stärker von Social Media beeinflusst werden?
„Je jünger die Nutzer sind, desto beeinflussbarer. Kinder müssen den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Schein erst noch lernen. Besonders kritisch wird es aber in der Pubertät: die Zeit, wenn Jugendliche ihre Persönlichkeit entwickeln. In der Phase spielt der Einfluss von Peers eine wichtige Rolle, also gleichaltrige Bezugspersonen. Diese stammen aber nicht immer aus dem eigenen Freundeskreis – Jugendliche können auch Influencer, die zum Beispiel dasselbe Alter haben, als Peers ansehen. Das Problem ist dann, dass die Jugendlichen die geposteten Bilder als Normalzustand ansehen und dem unrealistischen Bild nacheifern.“

Wie kann man dem entgegenwirken?
„Da spielt Medienerziehung eine wichtige Rolle – und die sollte schon in jungen Jahren beginnen. Kinder und Jugendliche, die eben noch so leicht beeinflussbar sind, müssen deutlich wissen, dass Bilder auf Social Media inszeniert sind. Auch ihre Eltern sollten in die Medienerziehung einbezogen werden. Denn oft mangelt auch ihnen das Wissen über die online Welt und den potentiell negativen Einfluss der Mediennutzung auf die Psyche ihres Kindes.“

Was empfehlen Sie noch für einen gesunden Umgang mit Social Media?
„In der Regel gilt: Je weniger Zeit wir auf Instagram und Co. verbringen, desto besser. Wir haben zum Beispiel bei einer Untersuchung festgestellt, dass schon zwanzig Minuten weniger am Tag einen positiven Effekt auf unsere Lebenszufriedenheit haben. Grundlegend ist jedoch, dass die Bilder auf Social Media nicht das Fundament für unsere Selbstwahrnehmung bilden sollten. Das sollte eher unser eigenes Handeln und das positive Feedback von echten Menschen aus der ‚Offline-Welt‘ sein.“

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